Von allen kalendarischen
Selbstgeißelungen, die der Mensch sich jedes Jahr aufs Neue auferlegt, ist Weihnachten
definitiv die perverseste!
Drei Tage lang setzt man sich ungeschützt
dem sozialen Nahraum, auch bekannt als „Familie“ aus, lediglich spärlich
bewaffnet mit einigen Überraschungsideen von der Amazon-Resterampe, diversen
Sorten brennbaren Trinkalkohols und die Aussicht auf „Stirb langsam 1 und 2“ auf Pro7.
Mit einem einmonatigen Countdown
wird auf den Wahnsinn hingearbeitet, gespickt mit hirnrissigen Ritualen, die
irgendwo angesiedelt sind zwischen blinden Konsumgehorsam und mildem
Fundamentalismus. Aber was will man auch erwarten von einer Religion, deren
zentrale Figur ein Kuckuckskind ist? Den Höhepunkt der Weihnachtszeit bildet dann
eben ein 3tägiges Konklave.
Und damit auch jeder die gleichen
Voraussetzungen hat, um den perfekte Nährboden für einen gepflegten Amoklauf zu
bereiten, müssen alle mitmachen.
Als Christ denkt man sich eben: Weihnachten,
das ist doch was für alle!
Schließlich feiert der Juniorchef
Geburtstag und da darf dann auch der Moslem, Jude und sogar der Atheist drei
Tage lang die Mauken hochlegen.
Es bleibt auch nichts anderes
übrig, denn am 24. Dezember ab 14 Uhr geht erstmal nichts mehr in diesem Land
und schon gar nicht im Einzelhandel, der
jeden Dezember wieder zum Massenhandel mutiert, in dem auch noch die
kitschigste Dämlichkeit von einem außer Kontrolle geratenen Kundenstrom mit
sich gerissen wird.
Dabei verteidigt die Frau jedes
Jahr aufs Neue spielerisch ihren Titel als Meisterin der Kapitalbindung.
Gleichzeitig bricht wieder ihr Dekorations-Tourette aus, das sie zwingt zu
zeigen, wie viel Plunder man auf 36 qm2 sozialen Wohnungsbau verteilen kann.
Man hat sich aber daran gewöhnt,
denn so geht es zu jedem religiösen Feiertag, oder wenn die Jahreszeiten
wechseln, oder wenn das launige Antlitz des Eisprungs sich erhebt.
Nutzt man derweil eben die Zeit für
„Stirb Langsam 3“ auf Kabel 1.
Für Tiere muss dieses Weihnachten
allerdings mehr als verstörend sein. Natürlich nicht für die, die in ihrer
eigenen Pelle eingerahmt von Kartoffelsalat mit dabei sind – für die ist die
Sachlage klar. Ich meine eher die, die Streicheleinheiten auf der anderen Seite
des Tellerrandes kriegen. Schon mal überlegt, wie qualvoll das Fest der Feste für
einen Hund sein muss? Ich meine, was soll unser vierbeiniger Gassikönig denn bitteschön
denken, wenn die Menschen, bei denen er lebt, plötzlich einen Baum mitten ins
Wohnzimmer stellen?
Aber in diesem Jahr ist es übrigens
nicht irgendein Baum – nein, es ist ein Co2-neutraler Bio-Baum, ohne Chemie
großgezogen und nachhaltig gefällt.
Und an seinen Bio-Ästen kommt der
neue Christbaumschmuck, gefertigt mit feinsten chinesischen Kinderhänden, dann
aber auch so richtig gut zur Geltung.
Die Zeiten, in denen Mutti am
Vorabend der Weihnacht noch das Lametta glatt bügeln musste sind ja Gott sei
Dank vorbei.
Weihnachtsbaum und Stammbaum
Aber die tuntig behangene Ziertanne
ist nicht der einzige Baum, der einem während der besinnlichen Tage Arbeit
bereitet.
Auch der eigene Stammbaum muss zum
Christfest hinabgestiegen werden, um huldvoll die Ehrengarde der Altvorderen in
ihren Residenzen abzuschreiten.
Und wer richtig Pech hat, der muss
am zweiten Weihnachtsfeiertag auch noch Oppa und Omma mit dranhängen – verpasst
dafür leider „Stirb langsam 4“ auf Tele 5, kommt so aber wenigstens aus dem
Haus und Essen gibt es ja auch umsonst. Das verträgt der eigene Magen-Darm-Trakt
zwar nicht, weil es nach wie vor frei ist von den industriellen Zusätzen, an
die man sich über all die Jahre mittlerweile so gewöhnt hat, aber bei der Befeuerung,
der unsere Magenschleimhaut in den letzten Tagen ausgesetzt war, spielt das
auch keine Rolle mehr. Dennoch ist das Essen schon der angenehme Teil der
Veranstaltung, denn Ommas Gesprächsradius erstreckt sich leider nur von ihren
offenen Beinen bis hin zu der Tatsache, daß bei Oppa die Granu Fink nicht
anschlagen.
Derweil erfreut Oppa die Familie
mit der Wiedergabe diverser Weltkriegsdokumentationen aus seiner üppigen DVD-Sammlung
und ist derart konzentriert bei der Sache, dass jedem klar wird, den
Russlandfeldzug, den guckt er sich nicht nur so zum Spaß an. Nein, der Oppa
macht ´ne knallharte Videoanalyse! Kennt man ja von der
Fußball-Nationalmannschaft. Guckt man sich alles hinterher noch mal in Ruhe an,
damit man es beim nächsten Mal besser macht.
Aber natürlich wäre das nix mehr
für den Oppa – da kann der Guido Knopp noch so viele Motivationsvideos drehen.
So alt wie der Knochen wird eh kein
Schwein. Der Oppa ist nämlich so alt, „Ernte 23“ ist für den nicht bloß eine
Zigarettenmarke, nein, das ist auch eine ganz schlimme Kindheitserinnerung!
Auch wenn der Nachmittag zäh wie
Leder und hart wie Kruppstahl ist, er geht vorbei.
Und nach all dem Getöse ist es dann
doch ganz schön, wenn man die letzten Zuckungen des Festes zu Hause aushauchen
kann - zusammen mit den Resten des brennbaren Trinkalkohols und „Stirb langsam
5“ auf RTL2.
Unter der Einwirkung von Bruce
Willis Schauspielleistung und einem gepflegten Hirnzellenmassakers, keimt in
einem dann auch die Gewissheit auf, dass jetzt erstmal Schluss ist mit
christlichen Feiertagen. Zumindest mal bis Ostern.
Denn dann feiert der Juniorchef ja
schon wieder Geburtstag.