Sonntag, 24. Dezember 2017

Ein Lichtlein brennt...

Weihnachten – das Fest der 1000 Lichter. 
Schwierig wird es aber, wenn es sich bei diesem Beinamen nicht um eine niedliche Übertreibung handelt, sondern um das exakte Ergebnis der Dekorationsbemühungen der Frau im Haus. Und richtig schwierig wir es, wenn ebenjene Frau aus dem oberen Stockwerk rufend mit der Bitte an einen herantritt: „Mach doch mal die kleine Lampe im Wohnzimmer an.“ Ich stand nämlich in besagtem Wohnzimmer, das zu Weihnachten eine Lichtquellendichte vorzuweisen hat, die es spielend mit der Innenstadt von Las Vegas aufnehmen konnte.
Also gestattete ich mir eine notwendige Nachfrage.
„Welche Lampe meinst du denn?“
„Na, die auf dem Tischchen!“, kam prompt die Antwort aus den oberen Gefilden.
An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass unser Aufkommen an vierbeinigen Ablagefreunden auch eher überdurchschnittlich hoch ist und sich auf jedem dieser Tischchen mindestens ein Leuchtelement befindet, was mich zu einer weiteren Nachfrage zwang.
„Auf welchem Tischchen?“
„Na, das am Fenster!“, hörte ich die Stimme meiner Frau und glaubte darin auch schon ein Augenrollen zu vernehmen.
Gut, wir hatten den Verdächtigankreis nun etwas verkleinert, denn in unserem Wohnzimmer befinden sich drei Fenster.
An jedem ein Tisch und darauf, richtig, Lampen.
Ich nahm also all meinen Mut zusammen und hoffte, das meine letzte Nachfrage endlich und sprichwörtlich Licht ins Dunkel bringen würde.
„An welchem Fenster?“, fragte ich und ohne das ich es wollte, brach meine Stimme bei der zweiten Fenstersilbe.
Noch bevor meine Frau zu ihrer Endgegner-Antwort ansetzte, konnte man deutlich Augenrollen und Kopfschütteln vernehmen.
„Na, das Fenster, das ich zuletzt geputzt habe.“
Ich gab auf. Es hatte keinen Zweck, obwohl ich so weit gekommen war. Das Ziel vor Augen musste ich einsehen, ich war geschlagen.

Es scheint, als bliebe mir einfach nichts anderes übrig, als an Weihnachten alle Lampen an zu haben…

Fröhliche Weihnachten everyone...


Dienstag, 21. November 2017

Ach du meine Presse!

Im Fitnessstudio:
Der bauchgewordene Frühfünfziger im Papageienfarbenen Trainingsdress, der liebend gerne als Mittvierziger durchgehen möchte, dessen angegrauter Haarkranz-Flokati aber leider eine andere, nämlich die richtige Sprache spricht, reinigt die Liegefläche der Beinpresse so penibel mit Desinfektionsmittel, als müsste er das von der Oma vererbte Silberbesteck auf Hochglanz polieren, um es den Ramschfledderern von „Bares für Rares“ unterjubeln zu können. 

Gut zehn getränkte Papiertücher später, besetzt er das Trainingsgerät mit der Eleganz, die ein Pandabär beim Besteigen eines Liegenfahrrades an den Tag legen würde und wählt ein Pressgewicht aus, das einem Men´s Health-Covermodel vor Respekt die Bauchmuskeln wieder glattziehen würde.
Dann presst er los.
Während jeder Ausführung lässt er ein Geräusch hören, bei dem man sich nicht sicher ist: Sollte man einen Physiotherapeuten zu Hilfe rufen? Einen Förster für den Blattschuss? Oder besser doch ´ne Hebamme?
Nach drei Durchgängen mit 15 Urschreitherapeutischen Wiederholungen ist alles vorbei und der Frühfünfziger macht sich an den Abstieg. 

Sein Ganzkörperlicher Schweißfilm hilft ihm dabei vom Gerät zu gleiten und als er das Basislager erreicht, zieht er wackelig von dannen zur nächsten Übung.
Die Presse tropft wie ein altes Gradierwerk.
Oder, weint sie etwa?



Let´s get Physical, Olivia...

Mittwoch, 25. Oktober 2017

Riemenschokolade

Sehr häufig wünscht sich der alte Kioskbesitzer die Zeiten zurück, in der immer wieder mal eine Horde Blagen vor seinem Fenster stand und ihn um ein paar Süßigkeiten anbettelte. „Möchtet ihr vielleicht ein Stück Riemenschokolade?“, fragte er dann in die Runde und die Blagen wollten natürlich immer.
„Hand auf!“, befahl er dann. 
Schon streckten sich ihm mehrere verdreckte Händchen entgegen und im nächsten Moment sauste sein breiter, brauner Kunstledergürtel pfeifend durch die Luft um auf mindestens einer Hand einen stattlichen Striemen zu hinterlassen.
Wenn die Blagen dann wie ein versprengter Haufen auseinander rannten, rief er ihnen noch nach.
„Und, wie hat sie euch geschmeckt?“. Dann lachte er laut.
Riemenschokolade hat der alte Kioskbesitzer schon lange nicht mehr verteilt.

Die Blagen heute laden bei ihm nur noch die Karten ihrer Prepaid-Handys auf.


Musiktipp zum Text: "Chocolate Jesus" - Tom Waits


Donnerstag, 21. September 2017

Rotmännchen und der Wolf

Ich stehe an einer Fußgängerampel, weil sie ein rotes Männchen zeigt.
Neben mir haben sich zwei Schuljungen eingefunden, die mit ihren Tornistern und den daran festgezurrten Sportbeuteln eher wie zwei nepalesische Scherpa aussehen und nicht wie Zweitklässler.

Trotz ihrer Last warten sie geduldig mit mir auf das befreiende Ampelzeichen. Plötzlich schiebt sich eines dieser ehrenamtlichen Jack Wolfskin-Werbemaskottchen um die sechzig an uns vorbei und überquert ohne zu zögern, und ohne Notiz vom Rotlicht zu nehmen, die Straße.
Ich bemerke wie die beiden Jungen sich anschauen, etwas unsicher, ob sie es dem spätvitalen Outdoor-Recken gleichtun sollen. Vielleicht überlegen sie: wer auf dem Rücken seiner imprägnierten Jacke eine überlebensgroß aufgenähte Wolfstatze trägt, dem kann doch eigentlich gar nichts passieren.
Der weiß was er tut.
Ich sehe ich mich also gezwungen zu handeln, beuge mich zu den beiden Scherpas runter und sage, allerdings immer noch laut genug, dass es den Straßenlärm um uns herum gut übertönt: „Bei so alten Leuten ist es nicht schlimm, wenn die über rot laufen, die haben nämlich keine Eltern mehr die dann weinen müssen, wenn sie totgefahren werden. Deshalb wartet ihr besser immer auf Grün, okay?“
Beide Jungen nicken und machen dabei einen etwas ertappten, doch einsichtigen Eindruck.
Aber nicht nur die beiden haben meine Bemerkung gehört.
Die alte Wolfshaut kommt plötzlich kurz vor dem Erreichen der rettenden Ampelinsel, welche die Straße teilt, zum Stehen, dreht sich erbost um und setzt an, etwas in meine
Richtung zu rufen, macht auch schon den ersten Schritt zur Straßenmitte zurück – und wird im nächsten Augenblick von einem riesenhaften Audi Q8 über den Haufen gefahren.

Die Szene erinnert stark an eine aus Jurassic Park 1 bis 3, bei der einer dieser Expeditionsfuzzis einem rasenden Triceratops im Weg steht.
Auch den Jungs hat die Aktion wohl gefallen, denn beiden entfährt ein synchrones „Boah“ und sie zeigen sich sehr überrascht, wie gut man mit einer Multifunktionsjacke in der Luft liegt. Und die Vorteile des Survival-Jankers werden nach dem Aufprall auf dem Asphalt noch deutlicher. Von außen lässt sie keinen Regen und von innen offensichtlich kein Blut durch.
Dann fällt mein Blick auf den Fahrer des Ingolstädter Monstertrucks und als ich sehe, wie der versteinert hinter seinem Steuer sitzt, das Handy noch am Ohr, weiß ich, dass in puncto Verkehrserziehung heute alle etwas dazugelernt haben.
Der Tatzenmann weiß jetzt, dass man doch besser auf Grün wartet und er wird noch feststellen, dass man ohne Milz ganz gut leben kann.
Der Herr der Ringe hat gelernt, wie sinnvoll eine Freisprechanlage ist und dass 2,5 Tonnen auf Rädern nicht jedermanns Sache sind.
Die beiden Jungs wissen jetzt, dass sie ruhig glauben können, was ihnen ein fremder Onkel an der Ampel sagt.
Und ich habe gelernt, dass man Probleme einfach nur mal offen ansprechen muss – dann ergeben sie sich schon mal von selbst.

Musiktipp zum Text: "Accidents will happen"... (sag´ich doch)

Donnerstag, 14. September 2017

Wahl da was? Warum es in diesem Jahr so schwer ist wie nie und ich trotzdem wählen gehe


Es ist 2017 und Wahlkampf. So nennen sie es zumindest.
Horoskop-Sprüche unter Gesichtern auf Plakaten, die unsere Städte, Fuß -und Radwege verstopfen.
„Für ein Deutschland, in dem es sich gut und gerne leben lässt.“ Ja, mit drei Jobs pro Haushalt vielleicht gerade so.
Und die beschworene „Gerechtigkeit“ scheint während der großen Koalition mächtig abhandengekommen zu sein, so dass man sie als fernes Ziel definieren muss und nicht als Ist-Zustand mit ihr werben kann.
Und was kommt eigentlich heraus, wenn man Grün und Schwarz mischt? Wahrscheinlich so in etwa das, was man sich nach einem langen, schweren Mindestlohn-Arbeitstag abends totmüde aus der Nase zieht.
Die meisten wollen und werden wieder gar nichts ankreuzen, die Stamm-Nichtwähler. Andere brennen darauf, ihren Wahlzettel an bestimmter Stelle mit einem Hakenkreuz zu versehen. Menschen zwischen 30 und 65, die eine Bundeskanzlerin mit 12 Jahren Amtszeit dafür verantwortlich machen, dass sie in ihrem Leben zu kurz gekommen sind.
Und soweit ist es schon gekommen: Man muss plötzlich Merkel verteidigen, ob man will oder nicht.
Weil jedes Maß und alle Vernunft verloren gegangen ist.
Leichtes Spiel für Steinzeitparolen, geschwungen mit der groben Rhetorik-Keule, die vor Jahren noch undenkbar gewesen wäre. „Hol Dir dein Land zurück!“ Ich frage mich, von wem? Erst von den Ausländern und dann? Von den Reichen, dann von den Studierten, dann von den Katholiken und zum Schluss von den dunkelhaarigen Bio-Deutschen?

Was ist die Alternative zur Alternative?

Die verteufelte Linke, die sich von gewaltbereiten Krawall-Touristen distanzieren muss, wie sich jeder anständige Moslem tunlichst von jedem islamistischen Terrorakt zu distanzieren hat. Und zwar pronto und glaubwürdig? Im Ansatz ausgebremst und trotz fester pazifistischer Haltung und sozialem Schwerpunkt immer noch nicht ganz koscher.

Ein liberaler Anti-Hipster, der meint „Manchmal muss ein ganzes Land vom Zehner springen“, aber Politik nur für den Schwimmbadbetreiber im Sinn hat? Dessen Partei 25.000 Schlecker-Mitarbeiterinnen genauso blass hat aussehen lassen, wie er jetzt von seinen Wahlplakaten herunterlindnert?
Das Lexikon erklärt Monochrom übrigens als „eine, nur auf einen Farbrezeptor reduzierte Wahrnehmung“.
Damit ist im Prinzip auch schon das Parteiprogramm der FDP beschrieben, wäre da nicht noch die fiese Überlappung der Themen, bei denen sie in das gleiche Horn wie die AfD bläst.

Brauchen wir also eine Satire-Partei, quasi als Weißabgleich, die eine satirische Überhöhung mittlerweile mit dem richtig groben Holzhammer platzieren muss, damit sie uns von diesem Wachtraum namens "Realität" losreißen kann? Wir könnten allerdings mehr als nur Lacher gebrauchen.

Und wer soll uns bei unserer Entscheidungsfindung helfen? 

Politische Talkshows etwa?
Diese dienen der Meinungsbildung in etwa so wie ein Senkblei, das man einem Ertrinkenden zuwirft.

Wir sind wieder dazu aufgerufen, einen neuen Bundestag zu wählen. Unsere Volksvertreter.

Vor ein paar Jahren kam heraus, das die NSA „350 der wichtigsten Deutschen“ regelmäßig digital ausgespäht hat. Über 600 Abgeordnete sitzen in diesem Deutschen Bundestag – das ist bezeichnend.

Trotzdem werde ich am 24. September mein Kreuz machen. Irgendwie werde ich schon meine Wahl treffen – weil ich will. Weil es mein Recht ist und niemand gesagt hat, dass Demokratie eine simple, selbsterklärende Sache ist. Man macht nicht einfach sein Kreuz und dann ist wieder 4 Jahre Ruhe.
Keiner kriegt alles, aber alle kriegen das Beste, was geht. Das sollte das Ziel sein. Und dafür muss jeder was tun. Nicht Facebook-Posts sondern Parteiprogramme sollten uns bei einer Entscheidung helfen. Nicht die BILD sondern Bürgersprechstunden sollten unsere Fragen beantworten.
Es muss einfach möglich sein, dass wir uns alle am Riemen reißen und mitarbeiten.
Wähler, Politiker, Journalisten – einfach alle.
Es ist ziemlich klar, was uns droht, wenn wir das simpelste nicht schaffen.
Die Steinzeit.


Mein kleiner Song setzt sich etwas genauer mit den Beweggründen der "Protestwähler" auseinander...